Pressemitteilung 1/2022 des Sozialgerichts Mainz

Befreiung vom vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst im Falle dauerhafter gesundheitlicher Verhinderung

SG Mainz, S 3 KA 9/20, Urteil vom 12.1.2022: Befreiung vom vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst im Falle dauerhafter gesundheitlicher Verhinderung

Eine Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie klagte gegen die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Rheinland-Pfalz auf Befreiung von der Teilnahme am vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst wegen eigener gesundheitlicher Einschränkungen. Die KV hatte ihre ablehnende Entscheidung u.a. damit begründet, dass der Praxisbetrieb der Klägerin keine messbare Einschränkung erfahre und sie zudem überdurchschnittliche Honorareinnahmen erziele. Ein schwerwiegender Grund für eine Befreiung sei nicht ersichtlich. Im Übrigen sei es der Klägerin finanziell zumutbar, den Bereitschaftsdienst auf eigene Kosten durch einen Vertreter wahrnehmen zu lassen.  

Das Sozialgericht hat – gestützt durch ein psychiatrisches Sachverständigengutachten – dementgegen entschieden, dass allein das Aufrechterhalten des Praxisbetriebes im Falle der Klägerin keine Aussagekraft im Hinblick auf die Befähigung zur Teilnahme am vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst habe. Denn gerade dem Krankheitsbild der Klägerin – einer beginnenden Demenz – entspreche es, jahrelang ausgeübte Routinearbeiten mit Unterstützung durch das Praxispersonal noch adäquat bewältigen zu können; mit den Anforderungen des z.T. fachfremden und situativ unvorhersehbaren Bereitschaftsdienstes sei die Klägerin allerdings dauerhaft überfordert.

Auch der weitere Begründungsansatz der KV scheitere nach Auffassung des Sozialgerichts an der Unvereinbarkeit der zugrundeliegenden Vorschrift der Bereitschaftsdienstordnung mit höherrangigem Recht: Es sei mit ihrem Sicherstellungsauftrag unvereinbar, einen zum Bereitschaftsdienst ungeeigneten Vertragsarzt auf die Möglichkeit einer Vertretung zu verweisen, wenn die KV nicht zugleich normativ sicherstelle, dass ein Vertreter auch tatsächlich zur Verfügung steht.

Das Urteil ist noch nicht in Rechtskraft erwachsen.

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